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1. Das Deutsche Reich - S. 40

1905 - Berlin : Mittler
- 40 — Kulmbach mit Bierbrauerei und chemischen Fabriken. Der zweite Industriebezirk liegt im Rednitzbecken mit den Städten: Nürnberg, Fürth, Erlangen. Den Mittelpunkt bildet Nürnberg (260 000 Einwohner), in unfruchtbarer, kiefernreicher Gegend, Bayerns erste In- dustriestadt, Es gibt kaum einen Industrieartikel, der nicht auch hier angefertigt würde. Hohe Bedeutung hat es als Verkehrsknotenpunkt. Leipzig, Eger, Regensburg, München, Augsburg, Stuttgart und Bamberg stehen durch Eisenbahnen mit ihm in Verbindung. Es gibt dort mehr als 40 Maschinenfabriken, die Dampf- und Nähmaschinen, Straßen- und Eisenbahnwagen herstellen; auch Bürsten, Pinsel und Farben werden angefertigt. Die größte europäische Ultramarinfabrik befindet sich in der Nähe. Weltberühmt sind die Bleistiftfabriken im nahen Dorfe Stein. Von den nahezu 30 bayerischen Fabriken dieser Art be- finden sich 23 in Nürnberg und Umgegend. In all diesen Fabriken werden von etwa 10 000 Arbeitern wöchentlich 41/2 Millionen Blei- und Farbstifte oder jährlich fast 225 Millionen im Werte von 8 Millionen Mark angefertigt. Berühmt sind die Nürnberger Spielwaren.*) Manche von den 65 Betrieben Nürnbergs verfertigen jährlich 50 000 Stück Zauberlaternen; daneben gibt es nicht weniger als 115 Exportkommissionshäuser, die die Spielzeuge an die bedeutendsten außerdeutschen Abnehmer: Italien, Ruß- land, Schweiz, Spanien und Rumänien versenden. Der größte Teil (70 °/0) geht jedoch nach England und Amerika. Der Wert aller im Reiche jährlich fabrizierten Spielzeuge beläuft sich auf 60 Mill. Mark, wovon für 18 Miß. Mark in Deutschland bleiben. Einen Weltruf hat Nürnberg ferner als Hopfenmarkt. Fürth (40 000) hat großartige Spiegelglasfabriken, für welche 40 Schleif- und Polierwerke im Jura arbeiten. Iv. Handel. Die rege gewerbliche Tätigkeit und der hoch entwickelte Bodenbau haben nicht nur einen lebhaften Güteraustausch zwischen den einzelnen Landschaften (Binnenhandel), sondern auch einen regen Handelsverkehr mit dem Auslande (Außen- handel) hervorgerufen. *) Seit 1840 werden vornehmlich Blechwaren (Trompeten, Küchen, Kochherde (in Fürth vorwiegend Zinnfiguren) optische Spielzeuge, Kreisel und Säbel fabriziert.

2. Das Deutsche Reich - S. 16

1905 - Berlin : Mittler
16 — Ein ähnliches Bild zeigen die Salzburger Alpen mit der Berchtes- gadener Gruppe. Überwältigend großartig ist die Bergnatur der süd- östlichsten Ecke unseres Vaterlandes. In majestätischer Einsamkeit und Pracht ruht inmitten eines Kranzes himmelanstrebender Felswände, am Fuße des schnee- und eisbedeckten Watzmann, gleich einem flüssigen Smaragde, der Königssee. Welche Beschäftigungszweige finden sieh hier? Da dem felsigen Boden nur äußerst magere Ernten abgerungen werden können, so sind für die geringe Bevölkerung einzelne Zweige der Forstwirtschaft, wie Holzfallerei, Flößerei, Kohlenbrennerei, Pech- schwelerei, das Beeren- und Kräutersammeln, sowie die Holzschnitzerei und der Geigenbau die Haupterwerbszweige. Die beiden letzten Erwerbszweige haben zwei Haupt- industriebezirke geschaffen. Den Hauptsitz der Schnitzerei bildet Oberammer- gau (Passionsspiele). Von den 1500 Einwohnern schnitzen etwa 300 Kruzifixe, Heiligenfiguren, Altäre, Spielsachen und Schmuckgegenstände, Jagd- und Tierbilder, Rahmen, Haus- geräte und Bierkrüge. Der Mittelpunkt des Geigenbaues ist: Mittenwald. 200 Personen verfertigen Geigen, Zithern, Gitarren und andere Saiteninstrumente, deren jährlich etwa 10 000 von hier in alle Welt versandt werden. Wie in den bayerischen Alpen, so hat auch in der Berchtesgadener Gruppe infolge des Kunstsinns der Be- völkerung und des Reichtums an weichem Holze das Kunst- gewerbe eine Heimstätte gefunden. Der herrlich gelegene Marktflecken Berchtesgaden stellt den Mittelpunkt desselben dar. Seit 700 Jahren ist die Schneidekunst hier heimisch. Ihre Erzeug- nisse, die aus Holz, Knochen, Elfenbein, Kirsch- und Aprikosenkernen hergestellt werden, sind weltberühmt. Merkenswert ist das Ländchen Berchtesgaden ferner wegen seines Salzreichtums. Das in großen Mengen sich findende Steinsalz wird hier ausgelaugt und die Sole teils an Ort und Stelle versotten, teils in einer 80 km langen Leitung zu den Salinen von Reichenhall, Traunstein und Rosenheim geleitet. Reichenhall ist das älteste deutsche Salzwerk; denn es besteht seit etwa 2000 Jahren.

3. Das Deutsche Reich - S. 61

1905 - Berlin : Mittler
61 lieh und birgt in seinem Innern beachtenswerte Schätze, besonders an Eisenerzlagern. Diese wurden hierselbst schon zu Luthers Zeiten aus- gebeutet. Heute liefern sie zwar nicht sehr viel Eisen, aber dafür auch solches von besonderer Güte, das mit großen Mengen eingeführten Eisenerzes in dem Waffen- und Eisenwaren- fabrikationsbezirk verarbeitet wird, den die zahlreichen Waffenfabriken von Suhl, Zella, Mehlis und deren Um- gebung bilden. Außer an Erzlagern ist der Thüringer Wald reich an nutz- baren Steinen und Erden. Die ersteren, die Schieferfelsen von Lehesten und Gräfenthal usw. (im Nordosten von Koburg), haben zur Ge- winnung von Dach- und Tafelschiefer geführt. Schiefer- und Holzreichtum haben hier die Schiefertafel- und Griffel- industrie erblühen lassen, die jährlich 21/2 Mill, eingerahmter Tafeln und 90 Mill. Griffel in den Handel bringt und mehrere Tausend Personen beschäftigt. Mit Porzellanerde und Quarzsand versorgt der Thüringer Wald zahlreiche Porzellanfabriken bezw. Glashütten. Die Porzellan- und Glasfabrikation bildet die eigentliche Lebensadèr vieler Waldorte. An Glashütten zählt man 25, unter denen die größte das Hohlglashüttenwerk in Unterneubrunn ist. Sehr verbreitet ist auch die Kisten- und Schachtel- fabrikation, besonders im oberen Schwarzatal, wo jährlich 30 bis 40 Mill. Schachteln hergestellt werden. Als eine Stätte eigenartiger Industrie ist Ruhla zu nennen wegen seiner Pfeifenindustrie. Die Produktion an Rauchutensilien aller Art ist ganz un- geheuer. 40 Firmen der Stadt arbeiten nur für den Export; der Wert aller jährlich verfertigten Meerschaumartikel beträgt 10 Mill. Mark. Ein Haupterzeugungsgebiet für alle Arten von Spiel- waren ist seit dem Mittelalter der Südosten des Thüringer Waldes, das sogenannte Meininger Oberland, besonders der Sonneberger Kreis. Er umfaßt 343 qkm mit etwa 30 Dörfern, deren wirtschaft- lichen Mittelpunkt das Städtchen Sonneberg bildet. Von 40 829 in den Spielwarenbetrieben Deutschlands be- schäftigten Personen entfallen auf Sonneberg etwa 18 000 (ein- schließlich der Angehörigen).

4. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 5

1913 - Leipzig : Hahn
5 durch, der erste Stich war mißlungen. Tief erglühend forschte ich der Ursache nach und kam endlich darauf, daß von mir vergessen worden war, an dem Faden einen Knoten zu machen. Ich schlang also mit großer Mühe ein Knötlein und nähte hierauf mit Erfolg, aber auch mit Hindernissen. Es verwandt und verdrehte sich der Zwirn, es staute sich die Nadel am Finger, es verschob sich das Zeug und ließ sich mit jedem Zuge hoch in die Lüfte ziehen, es riß sogar der Faden. Als ich ein paar Stunden so herumgenäht hatte, ohne daß mein Meister auch nur, eine Silbe zu mir gesprochen hätte, und als ich endlich mit dem Ärmling fertig zu sein wähnte und mit dem Auge fragte, was nun zu beginnen sei, antwortete er: „Jetzt trenne den Ärmling wieder auf bis auf den letzten Stich und ziehe die Fäden sauber aus. Achtung geben mußt nur, daß du den Stoff nicht an- schneidest." Als ich das mit Angst und Schmerz getan hatte und die Teile des Ärmlings wieder so dalagen, wie sie mir der Meister in die Hand gegeben hatte, ließ er von seiner Arbeit ab und sprach zu mir folgendes: „Ich hab' nur sehen wollen, wie du die Sache angreifst. Just nicht ungeschickt, aber den Loden muß man zwischen Knie und Tischrand einzwängen, sonst liegt er nicht still. Später, wenn du's einmal kannst, wird er auch wohl ohne Einzwängen still liegen, so wie bei mir da. Auf den Finger mußt du einen Fingerhut stecken, sonst kriegt deine Hand gerade so viele Löcher wie der Loden. Den Zwirn mußt du mit Wachs glätten, sonst wird er fransig und reißt. Die Stiche mußt du so machen, daß einer über dem andern reitet, das heißt man Hinterstiche, sonst klafft die Naht. Die Teile mußt du so zusammennähen, daß du sie nicht wieder voneinander zu trennen brauchst, und gibt es doch einmal zu trennen, so mußt kein saures Gesicht dazu machen; empfindsam sein leidet unser Handwerk nicht. Jeder Ochsenknecht wird dich ausspotten und wird dich fragen, ob du das Bügeleisen bei dir hättest, daß dich der Wind nicht fort- trägt, und wird, solange er deiner ansichtig wird, wie ein Ziegenbock meckern. Laß ihm die Freud' und geh still und sittsam deiner Wege. Ein gescheiter Mensch schämt sich nicht seines ehrlichen Handwerks, und ein dummer vermag es nicht zu lernen. Der Schneider studiert nie aus; jede Kundschaft hat einen andern Leib, jedes Jahr hat eine andre Mode; da heißt's nicht bloß zuschneiden und nähen, da heißt's auch denken, mein lieber Bub'; aus einem tüchtigen Schneider ist schon manch ein hoher Herr hervorgewachsen. Der große Feldherr Derff- linger ist ein Schneider gewesen. Deswegen, wenn du in dir wirklich die Neigung empfindest zu diesem Stande, so will ich dich lehren, was ich selber kann." Ich nickte dankend mit dem Kopfe. Beim Weggehen sagte der Alpelhoser zu mir: „Schneider werden? Wie ist dir denn das einge- fallen ? Alleweil in der finstern Stube sitzen; in den meisten Häusern lassen die Leut' nicht einmal Lust zu den Fenstern herein. Wenn du

5. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 59

1913 - Leipzig : Hahn
59 In Meister Wernthals Werkstatt pfiffen die Hobel von Meister und Gesellen lustig um die Wette: hüuh—hitt, hüuh—hitt! Die Sonne sandte durch das sanfte Weingerank, welche die Werkstattfenster so schön verschleierte, ihr liebliches Lächeln auf die fleißigen Leutchen da drinnen hin, und Meister Wernthal begleitete ihren Blick zuweilen mit ganz eigenen Augen, wenn er auf den jungen Gesellen fiel, der dort an seiner Seite so emsig hantierte, daß es geradezu eine Freude war, ihm zuzusehen. Friedrich Breitkopf war ein schmucker Bursch. Schlank und kräfüg gewachsen, bot er mit seinem jugendfrischen, von dunkelm, dichtem Haargelock umrahmten und mit leichtem Bartflaum gezierten Gesichte das köstliche Bild eines echten deutschen Handwerksgesellen. Er ver- stand auch sein Handwerk, das sah man an der Art, wie er das Werk- zeug führte, und der Meister Wernthal mußte wohl zufrieden mit dem jungen Burschen sein ; denn die Blicke, die er ihm zuweilen zuwarf, zeugten von Wohlwollen und Güte. Indessen, wer den schmucken Gesellen näher betrachtete, bemerkte bald, daß es heute nicht die Lust zum Handwerke war, die ihn so emsig den Hobel führen ließ, sondern daß eine Art Aufregung sich seiner bemächtigt hatte, ein Etwas, das sich als Unzufriedenheit mit sich und seinem Geschick auf seinem hübschen Antlitze wider- spiegelte. Und so war es auch. Der schmucke, fleißige Friedrich Breitkopf, der tüchtigste und geschickteste Geselle, den Meister Wernthal je in seiner Werkstatt beschäftigt hatte, war unzufrieden mit seinem Berufe. Der gute Junge haderte mit seinem Geschicke, das ihn zum Tischler gemacht und für die Zeit seines Lebens an die Hobelbank gestellt hatte, während andere, die kaum halb so hübsch und gewandt waren wie er (z. B. sein Schulkamerad Heinrich Hacker), in Frack und weißer Weste auf dem Bahnhöfe herumstolzieren konnten, statt mit rauhen, ungehobelten Brettern mit arttgen, gebildeten Reisenden zu tun hatten und statt eines kärglichen Wochenlohnes reichliche Trink- gelder einsttichen, für die sie sich endlich selbst eine Restauration oder ein Gasthaus kaufen oder pachten konnten, um dann als große Herren zu leben, während er es höchstens bis zu einer bescheidenen eigenen Werkstatt bringen konnte, in der er zeitlebens hobeln und bohren, sägen und nageln mußte, um sein tägliches Brot zu verdienen. Nein ! Was Heinrich Hacker konnte, konnte er auch, hüuh—hitt —hitt—-hitt! Friedrich Breitkopf ließ noch einmal den Hobel kräfüg über sein Brett hingleiten, blies sodann die Späne aus demselben fort, warf ihn auf die Hobelbank und rief: „Meister, ich mache Schicht!" Meister Wernthal glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu sollen; er blickte verwundert auf den Gesellen und fragte langsam: „Du willst fremd machen?" „Jawohl, Meister," erwiderte Friedrich ttotzig, „ich habe das

6. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 4

1913 - Leipzig : Hahn
4 heischend, daß ich in die Studie (zum Studieren) kommen könnte. Der Herr Pfarrer sagte ihr aber: „Laß die Waldbäuerin das bleiben! Wenn der Bub' sonst keine Anzeichen für den Priester hat, als daß er schwach ist, so soll er was anders werden." Nun, so ging denn meine Mutter vom Herrn Pfarrer zum Schneidermeister: sie hätte einen Buben, der möcht' Schneider werden. — Was ihn auf diesen Gedanken brächte? — Well er halt so schwächlich wäre. Stand der Meister auf und sprach: „Ich will der Waldbäuerin nur sagen, daß der richtige Schneider ein kerngesunder Mensch sein muß; einmal das viele Sitzen, nachher zur Ferienabendzeit das weite Gehen über Berg und Tal und das ganze Zeug mitschleppen wie der Soldat seine Rüstung; hernach die unterschiedliche Kost: bei einem Bauer mager, beim andern feist, in einem Hause lauter Mehlspeisen, im andern wieder alles von Fleisch, heur nichts als Erdäpfel und Grünzeug, morgen wieder alles Suppen und Brei. Und red' ich erst von den unterschiedlichen Leuten, mit denen man sich abgeben muß: Da eine brummige Bäuerin, der kein ordentlicher Zwirn feil ist, dort ein Bauer, der mit seinen närrischen Späßen den Handwerker erheitern und satt machen will. All die Leut' soll der Schneider mit einem Maß messen. Und was die Hauptsache ist: Kopf muß einer haben! Was an einem krummen, buckeligen, einseitigen Menschenkinde ver- dorben ist, das soll der Schneider wieder gut machen. Der Schneider muß aber nicht allein den Körper seines Kunden, er muß auch, sozu- sagen, sein ganzes Wesen erfassen, um ihm ein Kleid zu geben, das paßt. Und ebenso muß er den Stoff kennen, von dem er den Anzug zu verfertigen hat. Manches Tuch dehnt sich, manches kriecht zu- sammen; dieses hält Farbe, das andere schießt ab. Wer das vorher nicht weiß, der macht ein Unding zusammen. Kurz, der Kleider- macher muß Menschen- und Weltkenner sein. Na, werd' ihn mal anschauen; soll nächster Tage zum Alpelhofer kommen, dort wird er mich finden." So bin ich denn an einem hellen Morgen hingegangen. Lange stand ich auf dem Anttittsstein der Haustür und dachte: „Wie wird's sein, wenn ich wieder herausttete?" Als ich in die Stube trat, saß der Meister am Tische und nähte. Ich blieb an der Tür stehen. Er zog die Nadel auf und nieder; nur die Wanduhr und mein Herz pochte. „Was willst du denn?" fragte mich nach einer Weile der Meister. „Schneider werden möcht' ich halt gern", ant- wortete ich zagend. „So setz' dich her, nimm Nadel und Zwirn und nähe mir diesen Ärmling zusammen." So tat ich — aber es ist leichter gesagt als getan. Da staken im Kissen an die dreißig Nadeln aller Größen, da lagen Zwirnknäuel verschiedener Feine und Farbe. Und die beiden Teile des Ärmlings, wie werden sie zusammen- getan? Ich warf fragende Blicke auf den Meister; aber der tat nicht, als wisse er mehr als ich. So hub ich denn an, legte den Lodenstoff aufs Knie und machte einen Stich. Der Faden schlüpfte

7. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 53

1913 - Leipzig : Hahn
53 Laden, der sich durch ein paar gekreuzte Kalkpfeifen, einige verstaubte Zichorien- und Tabakpakete, Wichskruken und Seuftöpfe kennzeichnete, und kam nach kurzer Zeit mit zwei Tüten wieder zum Vorschein. Leberecht Hühnchen wohnte in dem Giebel eines lächerlich kleinen und niedrigen Häuschens, das in einem ebenso winzigen Garten gelegen war. In seinem Wohnzimmer war eben so viel Platz, daß zwei an- spruchslose Menschen die Beine darin ausstrecken konnten, und nebenan befand sich eine Dachkammer, die fast vollständig von seinem Bette aus- gemt wurde, so daß Hühnchen, wenn er auf dem Bette sitzend die Stiefel anziehen wollte, zuvor die Tür öffnen mußte. Dieser kleine Vogelkäfig hatte aber etwas eigentümlich Behagliches; etwas von dem sonnigen Wesen seines Bewohners war auf ihn übergegangen. „Nun vor allen Dingen einheizen," sagte Hühnchen. „Setze dich nur ans das Sofa, aber suche dir ein Tal aus. Das Sofa ist etwas ge- birgig ; man muß sehen, daß man in ein Tal zu sitzen kommt." Das Feuer in dem eisernen Kanonenofen, der sich der Größe nach zu anderen gewöhnlichen Ofen etwa verhielt wie der Teckel zum Neu- fundländer, geriet bei dem angestrengten Blasen meines Freundes bald in Brand, und er betrachtete wohlgefällig die züngelnde Flamme. Dieser Ofen war für ihn ein steter Gegenstand des Entzückens. „Ich begreife nicht," sagte er, „was die Menschen gegen eiserne Öfen haben. In einer Viertelstunde haben wir es nun warm. Und daß man nach dem Feuer sehen und es schüren muß, das ist die an- genehmste Unterhaltung, die ich kenne. Und wenn es so recht Stein und Bein friert, da ist er herrlich, wenn er so rot und trotzig in seiner Ecke steht und gegen die Kälte anglüht." Hiernach holte er einen kleinen, rostigen Blechtopf, füllte ihn mit Wasser und setzte ihn auf den Ofen. Dann bereitete er den Tisch für das Abendessen vor. In einem kleinen Holzschränkchen befanden sich seine Wirtschaftsgegenstände. Da waren zwei Tassen, eine schmale, hohe, mit blauen Vergißmeinnicht und einem Untersatz, der nicht zu ihr paßte, und eine ganz breite, flache, die den Henkel verloren hatte. Dann kam eine kleine, schiefe Butterdose zum Vorschein, eine Blechbüchse mit Tee und eine runde Pappschachtel, die ehemals Hemdenkragen beherbergt hatte und jetzt zu dem Range einer Zuckerdose aufgestiegen war. Das köstlichste Stück war aber eine kleine, runde Teekanne von braunem Ton, die er stets mit besonderer Vorsicht und Schonung behandelte; denn sie war ein Familienerbstück und ein besonderes Heiligtum. Drei Teller und zwei Mesier, die sich so unähnlich waren, wie das für zwei Tischmesser nur irgend erreichbar ist, eine Gabel mit nur noch zwei Zinken und einer fatalen Neigung, ihren Stiel zu verlaflen, sowie zwei verbogene Neu- silberteelöffel vollendeten den Vorrat. Als er alle diese Dinge mit einem gewissen Geschick aufgebaut hatte, ließ er einen zärtlichen Blick der Befriedigung über das Ganze schweifen und sagte: „Alles mein Eigentum. Es ist doch schon ein kleiner Anfang zu einer Häuslichkeit."

8. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 73

1913 - Leipzig : Hahn
73 selben aber zurückgezogen hatten, so löste er den Gurt, mußte ihn aber sogleich wieder umlegen, da das Blut aus beiden Adern mit großer Gewalt hervorspritzte. Er fand nun leicht die durchschnittenen Adern, unterband sie, nähte die getrennten ^Sehnen und Nerven an einander und legte einen antiseptischen Verband an, wobei ihm der Samariter- arbeiter ganz geschickte Mse leistete. Die Heilung der schweren Wunde erfolgte ohne Eiterung, und es ist zu hoffen, daß der Ver- unglückte eine brauchbare Hand behalten wird. Wäre nicht ein geschulter Helfer in der Nähe gewesen, so würde höchst wahrschein- lich der Verwundete sich vor Ankunft des Arztes verblutet haben. Iii. Bei einem großen, nächtlichen Brande in einem weit entlegenen Stadtteile Berlins stürzte ein Feuerwehrmann so unglücklich von einer Leiter herab, daß beide Knochen des Unterschenkels zerbrachen und die scharfen Spitzen die Haut durchbohrten. Ärztliche Hilfe war weit entfernt, aber da von der Mannschaft mehrere den Samariter- unterricht genossen hatten, so machten sie Schienen aus zerbrochenen Fensterjalousien und befestigten diese sehr geschickt mit dreieckigen Tüchern, von denen ein jeder eines in der Tasche hatte. Dann wurde aus einer Stubentür eine Tragbahre hergestellt, darauf der Verletzte vorsichtig gelagert und in dem eingeübten Gebirgsschritt bis in das weit entlegene Krankenhaus getragen. Der Mann hatte während des Transportes keine nennenswerten Schmerzen, und die Ärzte des Krankenhauses erklärten ausdrücklich, daß der vorläufige Verband zu ihrer vollsten Zufriedenheit angelegt worden sei. Die traurigen Folgen aber des Mangels einer solchen sach- kundigen Hilfe zeigt der folgende Fall. Ein Arbeiter war spät in der Nacht auf der Pferdebahn nach Hause gefahren und hatte sich beim Abspringen von dem Wagen einen schweren Beinbruch zugezogen. Der Unfall ereignete sich in einem entlegenen Stadtteil, wo kein Arzt in der Nähe wohnte. Die Kameraden, welche ihn begleiteten, wußten nicht, wie zu helfen sei. Hätten sie den Samariteruuterricht genossen, so würden sie aus ihren Spazierstöcken, Schirmen, Schnupftüchern u. s. w. einen Notverband hergestellt und den Verletzten auf der Straße irgendwo in passender Stellung gelagert haben, bis einer von ihnen vom nächsten Polizei- bureau eine Tragbahre oder einen Krankentransportwagen requiriert hätte. Statt dessen wurde die erste beste Droschke geholt, der Unglück- liche in den engen Raum derselben hineingestopft und zunächst nach seiner Wohnung gefahren. Hier ist dann von einem Arzte ein Notverband angelegt und der Verletzte in das Krankenhaus gebracht worden, wo er sehr erschöpft und ohne Bewußtsein angelangt und am dritten Tage gestorben ist. Ohne Zweifel ist durch den Transport in der engen Droschke und ohne einen den gebrochenen Knochen fest- stellenden Schienenverband die Verletzung sehr verschlimmert worden. Fr. v. Esmarch.

9. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 139

1913 - Leipzig : Hahn
139 Dagegen ist es bis jetzt nicht gelungen, die wichtige Arbeit des Lintunkens in die Zündmaffe durch Maschinen besorgen zu lassen; hier muß noch immer die menschliche Hand eingreifen. Sind nun die Hölzchen mit den Aöpfchen versehen, so wandern sie wieder in Trockenräume, in welchen sie verbleiben, bis sie alle Feuchtigkeit verloren haben; dann müssen sie aus dem Rahmen be- freit, „abgelegt" und in Schachteln verpackt werden. Dieser Teil der Arbeit, der mit Brandgefahr verbunden ist, mußte bis vor nicht langer Zeit gleichfalls durch die menschliche Hand besorgt werden; jetzt hat man Auslegemaschinen ersonnen, welche die Hölzer den ge- öffneten Rahmen entnehmen und geordnet in größere Aasten fallen lassen, aus welchen sie dann in kleinere Schachteln umgepackt werden. Line solche Auslegemaschine neuester Bauart vermag bis zu drei Millionen Hölzchen an einem Tage dem Tunkrahmen zu entnehmen, und dabei arbeitet sie, wie die Erfahrung gelehrt hat, bei weitem feuersicherer als der Mensch. In allerjüngster Zeit hat der Schwede Lundgrenn, der schon durch seine Maschine zur Herstellung der Schwedenschachteln berühmt geworden war, noch eine Maschine erfunden, welche die leeren Schwedenschachteln mit Hölzchen füllt und die Schachtel geschlossen abliefert. Man braucht weiter nichts zu tun, als nur die Behälter der Maschine mit Zündhölzchen und Schachteln zu füllen und emp- fängt von ihr in zehn Stunden 25000 wohlgefüllte Schachteln! Auch die Schachteln zu schwedischen Zündhölzchen werden mit Hilfe verschiedener Maschinen angefertigt. Die erste Maschine ist eine Schälmaschine und liefert täglich 3000 Quadratmeter Schachtelspan, woraus man 200000 Schachteln machen kann. Die zweite Maschine teilt den Schachtelspan auf ge- naue Schachtelbreite und liefert 300000 bis Hooooo Holzstückchen, aus welchen Schachteln geklebt werden können. Auch diese Alebe- arbeit besorgt eine Maschine. Die Außenschachtel oder die „Hülse" wird bekanntlich durch blaues Papier zusammengehalten. Dieses Papier wird in endlosen Streifen von 56 mm Breite von einer seitwärts stehenden Rolle der Maschine zugeführt, und diese besorgt das Abschneiden, Aleben, Biegen usw. selbsttätig, bedarf zu ihrer Bedienung nur eines Mädchens und liefert im Tag 36000 Hülsen. Line andere Maschine fertigt die Schieber oder Linschiebsel für die Schwedenschachtel und liefert in ähnlicher Meise 25000 Schieber in zehn Stunden. Nun müssen noch die Schachteln auf beiden Schmal- seiten mit der Anstrichmasse versehen werden. Auch dafür gibt es eine Maschine, die täglich \20 000 bis s 50000 Schachteln mit dem Anstrich versieht und zwar sauberer und genauer, als dies die Menschenhand verniöchte. Endlich ist noch eine Maschine für das Aufkleben des Firmaschildes da, welche im Tag ^0000 bis 50000 Schachteln mit Aufschriften versieht und dabei mit dem Aleister sparsamer umgeht als ein Arbeiter.

10. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 147

1913 - Leipzig : Hahn
147 hin zu dem unvergeßlichen Fürstenhofe von Weimar. Erst die „neue Aristokratie“, die mit der Maschine aufwächst und aus ihr ihre Mittel herausholt, änderte grundsätzlich etwas an der Lage der Künstler. Man zahlt nicht mehr den Mann, sondern die einzelne Leistung. Man kauft Bilder, bezahlt Theater- plätze, läßt sich Entwürfe machen, bestellt sich Bücher, aber man bindet sich nicht. Darum wird der Künstler auf Markt und Verkauf seines Schaffens angewiesen. Der Zwischenmeister tritt auch auf dem Kunstgebiet zwischen den Heimarbeiter und das Publikum. Der Geist des Maschinenzeitalters weht durch die großen Markthallen für bildende Kunst. Sicher ist, daß das Maschinenzeitalter der Kunst viel zu tun gibt. Die Kunst wird breit in ihrer Auswirkung. Ge- winnt sie selbst aber auch durch die Maschine an Inhalt? Das ist die Frage. Wir gehen dabei von der Maschine aus. Welche Maschinen gehören allein dazu, das herzustellen, was in einem einzigen guteingerichteten Zimmer zu finden ist! Wer kennt die Arbeit und die Arbeiter? Alle unsere Kultur ist von eisernen Händen gemacht und rollt auf metallenen Rädern. Die Transportmaschine, die Werkzeugmaschine und die Fabrikationsmaschine sind die drei neuen Mächte des mensch- lichen Lebens. Laßt uns die Fabrikationsmaschine betrachten, wie sie sich vor Jahrzehnten hinter den alten Handwerker setzte und ihm bei seiner Arbeit zusah. Ob er Gewebe fertigstellte oder Haus- rat oder Kleidungsstücke, immer sprach die Maschine: Der Alte macht gräßlich langsam. Er bringt so wenig fertig. Ich will viel schneller arbeiten! Und sie lernte ihm die einfachsten Handgriffe ab. Die metallenen Hände waren im Anfang noch sehr ungeschickt. Man konnte nur einfachste Formen von ihnen erwarten, und es wäre falsch gewesen, ihnen das feinste Garn oder Leder oder Papier anzuvertrauen. Alle Industrie fängt auf ihrer ersten Stufe mit geringwertiger Massenware an. Bei schlechtem Lohn wird mit billigen Maschinen etwas hergestellt, was weder die Sonne noch den Sturm aushalten kann. Wir erinnern uns, mit welcher Geringschätzung noch oft in den sieb- ziger Jahren von „Fabrikware“ geredet wurde. Das klang wie Ausverkauf und Schund. So ist die Zeit, in der die Maschine direkt als Kunstzerstörerin auftritt. Sie schiebt die alte Hand- werkskunst vom Stuhl und füllt die Räume mit Plunder. Auch wenn man nicht übertreibt, was die alte Durchschnittsmeister- schaft wert war, sie hatte ihr persönliches Element. Mindestens zwei Menschen dachten wirklich über einen neuen Schrank nach, der Vater der Braut und der Tischler, und sie überlegten: wie muß gerade für diese Kammer der Schrank sein ? Später dachte niemand mehr nach, denn das Geschäft stellte 250 gleiche 10*
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